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Entscheidung für den Mensch

 

Wer schon einmal einen Konflikt hatte (seien wir mal ehrlich, wer hat sie nicht?!), weiß wie schmerzhaft das sein kann. Ich bin ehrlich, ich habe schon einige Konflikte hinter mir. Manche davon konnte ich gut lösen, andere wiederum gar nicht. Warum ist das so?

 

Bei Konflikten treibt unser Gehirn ein Spiel mit uns. Konflikte sind in unserer Wahrnehmung eine Form von Gefahr und wir machen etwas, das uns früher dazu diente, unsere Überlebenschance einzuschätzen und entsprechend schnell zu reagieren. Da ging es nicht darum, sich zunächst in einen Sitzkreis zu setzen und gemeinsam zu reflektieren und einander wertschätzend mitzuteilen, welches Problem wir nun gerade miteinander haben, nur um dann gemeinsam eine Lösung für die Aufteilung der Beute zu finden. Damals ging es um instinktives Einschätzen der Situation im Hinblick auf Flucht, Angriff oder Tot stellen.

 

Heute ist das anders, aber die Gehirnfunktion ist geblieben. Und so passiert es oft, dass wir nicht mehr voll bei Sinnen sind, wenn wir in einen Konflikt geraten. Mitunter bewerten wir eigenes und fremdes Verhalten sehr unterschiedlich, argumentieren mit dem Holzhammer und bestehen darauf, dass einer gewinnen muss, möglichst man selbst. Nur wenn beide das tun, funktioniert es natürlich nicht, so dass tatsächlich beide am Ende verlieren.

 

Bis uns klar wird, dass wir selbst verloren haben (und auch feststellen, dass uns dieser Verlust ein Leben lang begleitet) setzen wir gerne alle Mittel der Argumentation, Auslegung und des Machtspiels ein. Gerne befähigen wir dazu Anwälte, die uns das übelste vom üblen abnehmen und für uns und unser Recht kämpfen. Aber gerade, wenn es um Beziehungen, um die Menschen im Konflikt geht verschlimmert sich so die Situation deutlich.

 

Es geht eben nicht um Recht und Unrecht (in diesem Falle sind Rechtsanwälte gute Partner), sondern es geht um Empfindungen, Auffassungen, Verstehen und letztendlich um Bedürfnisse in der Beziehung zueinander. Kein Richter dieser Welt vermag per Gesetz vorzuschreiben, wie sich Beziehungsbrücken reparieren lassen.

 

Es geht um Freundschaft, um Kollegialität, um Zugehörigkeit, um Sicherheit und um Anerkennung. Und, gerade weil diese (Gott sei Dank) nicht in Gesetzestexten normiert sind, sondern sich über Jahre entwickeln, hilft kein Kampf um Macht und Einfluss. Es hilft nur zuhören, hinter die Kulissen blicken, Blickwinkel wechseln und genaues Wahrnehmen von Details. Eine Mammutaufgabe angesichts der hochgekochten Emotionen und evolutionär ausgebildeten Reaktionskette und alleine leider oft kaum zu bewältigen. Wenn die Ohren taub und die Augen blind sind und wir unsere anderen Sinne nicht geschärft haben, dann brauchen wir Unterstützung. Jemand, der übersetzen kann, ohne zu bewerten.

 

Wer schon einmal einen Übersetzer, einen Brückenbauer, einen Lotsen einen Mediator im Konflikt genutzt hat, weiß, wie wertvoll das ist, nicht nur für den Augenblick des Verstanden seins, sondern für eine Erinnerung ohne Ballast, ohne Schmerz sondern voll Zufriedenheit, eine gemeinsame Lösung gefunden zu haben.

 

Jeden Tag und in jeder schwierigen Situation sollten wir uns alle fragen: „Was kann ich tun, um zu verstehen, was kann ich tun, um verstanden zu werden.“ Es ist eine Entscheidung gegen das Problem und für eine Lösung statt gegen einen Menschen. Es ist eine Entscheidung für den Mensch und die gemeinsame Beziehung.